Die moralische Schlagseite des Vatikans

Oberste moralische Priorität hat dem Vatikan offenbar der Schutz des eigenen Ansehens. Ein Geheimnisverräter (ob es auch eine Geheimnisverräterin gewesen sein könnte?) treibt im Vatikan sein Unwesen. Seit einiger Zeit gelangen Dokumente über interne Zänkereien und Machtspiele an die Öffentlichkeit. Dem gläubischen Publikum will man dies natürlich nicht zumuten («Dadurch sei in der Öffentlichkeit ein Bild der Römischen Kurie entstanden, das nicht der Realität entspreche.»)

Man habe deshalb «umfangreiche Ermittlungen auf allen Ebenen des Heiligen Stuhls eingeleitet», der «Kirchenanwalt des vatikanischen Gerichts [habe] die Leitung strafrechtlicher Untersuchungen [übernommen], während das päpstliche Staatssekretariat, … auf Verwaltungsebene ermittle». Ja, sogar eine «übergeordnete Kommission» habe der Papst ernannt, «um Licht in die Angelegenheit zu bringen». Erzbischof Angelo Becciu warf den Verantwortlichen für die Weitergabe der Informationen «Unredlichkeit und gemeine Feigheit» vor. Da wird mit Kanonen auf einen Singvogel geschossen!

Nun darf man sich aber auch daran erinnern, dass der Vatikan regelrecht dazu geprügelt werden musste, auch nur einzugestehen, dass in der Obhut von katholischen Priestern und Institutionen über Jahrzehnte (wohl eher Jahrhunderte) zehntausende Kinder auf das schändlichste missbraucht wurden (Unredlichkeit und Feigheit wären hier wahrlich keine passenden Begriffe). Von einer eingehenden Untersuchung der Sachverhalte gar nicht zu reden.

Aber Inkonsequenz darf man dem Vatikan nicht vorwerfen, schliesslich geht (und ging) es immer darum, dem gläubischen Volk unliebsame Tatsachen vorzuenthalten. Man muss eben wissen, wofür einem seine «christlichen Werte» stehen und wo man seine moralischen Prioritäten setzt.


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